Die Cheruskerkurve (Schöneberg/Südkreuz 
          <> Potsdamer Pl.)
          Seit 
          1944 stillgelegt, Wiederaufbau geplant
          
      
      
      
          Am 15. Oktober 1881 wurde eine Spitzkehre eröffnet, die sich vom 
          Südring bis zum Potsdamer Bahnhof erstreckte. Sie war die erste 
          Verbindung der Ringbahn zum damaligen Stadtzentrum um den Potsdamer 
          Platz. Da der Potsdamer Bahnhof in dieser Zeit immer stärker belastet 
          wurde, errichtete man 1890/91 gleich daneben einen seperaten „Ringbahnhof“. 
          Zwischen der Ringbahnstrecke bei Papestraße und dem Potsdamer 
          Ringbahnhof bestand seit Eröffnung der Strecke ein weiterer Haltepunkt, 
          der Bahnhof Schöneberg (ab 1.12.1932 mit Namen „Kolonnenstraße“) 
          an der heutigen Julius-Leber-Brücke. Dort hielten zwischen 1882 
          und 1891 auch Züge der Potsdamer Stammbahn. 
          Das Empfangsgebäude des Bahnhofs Kolonnenstraße war aus Backstein 
          erbaut und mit einem Türmchen versehen. Das Bauwerk, das Meyer-Kronthaler 
          & Kramer (1999) sinnbildlich als „kleine Bahn-Burg“ 
          bezeichnen, wurde jedoch im Zuge der nationalsozialistischen Stadtumgestaltung 
          1936 abgerissen und durch einen provisorischen Zugang ersetzt.
          Die Südring-Spitzkehre verband die Wohngebiete südlich von 
          Berlin mit dem Zentrum und dem Regierungsviertel nahe des Potsdamer 
          Bahnhofes. Bahntechnisch diente sie als Pufferstrecke (neudeutsch besser 
          als „Cache“ zu bezeichnen) für die lange Ringbahnabschnitt: 
          Hier konnten Verspätungen aufgeholt werden, die sich sonst bei 
          den stundenlang im Kreis verkehrenden Ringbahnzügen aufsummiert 
          hätten. Da die Südring-Spitzkehre südlich des Bahnhofes 
          Kolonnenstraße parallel der Cheruskerstraße verlief, erhielt 
          sie bald den Namen „Cheruskerkurve“, unter den sie bis heute 
          in Planungsentwürfen firmiert.
          Die 800 Meter lange Cheruskerkurve wurde 1929 elektrifiziert und am 
          18.April des Jahres für den S-Bahn-Verkehr freigegeben. Ab sofort 
          konnten die S-Bahnzüge aus Richtung Westkreuz hinter dem Bahnhof 
          Schöneberg auf die Cheruskerkurve abzweigen. Sie fuhren weiter 
          über den Bahnhof (Kolonnenstraße), bis sie am Potsdamer Ringbahnhof 
          endeten. Hier machten die Ringzüge „Kopf“ und kehrten 
          über den Bahnhof Kolonnenstraße und die östliche Cheruskerkurve 
          zurück zum Bahnhof Papestraße, um in Richtung Ostkreuz weiterzufahren. 
          
          Der Bahnhof Kolonnenstraße lag ungefähr 300 Meter südlich 
          des Bahnhofs Großgörschenstraße der parallel verlaufenden 
          Wannseebahn, die nicht an der Kolonnenstraße hielt. Die Ringbahn-Fahrgäste 
          mussten demnach vom nördlichen Ausgang des Bahnhofes Kolonnenstraße 
          über eine Fußgängerbrücke und einen zwischen den 
          Gleisen errichteten Pfad (wegen seiner eingezwängten Lage „Hammelgang“ 
          genannt) zum Bahnhof Großgörschenstraße bewegen. Als 
          die unterirdische Nord-Süd-S-Bahn (heute S1) zwischen Großgörschenstraße 
          und Humboldthain kurz vor dem 2. Weltkrieg entstand, wurde der Bahnhof 
          Großgörschenstraße um ca. 200 Meter in seine heutige 
          Lage verschoben. Die Ringbahnfahrgäste konnten jetzt über 
          den im März 1933 eröffneten Kreuzungsbahnhof Schöneberg 
          (in Höhe des ehemaligen Ringbahnhofs an der Ebersstraße gelegen) 
          bequemer in die Wannseebahn umsteigen.
          Nachdem am 3. Juli des Kriegsjahres 1944 die Cheruskerkurve und der 
          Potsdamer Ringbahnhof so stark bei Luftangriffen beschädigt wurden, 
          dass sie nicht mehr befahrbar waren, konzentrierten sich die S-Bahnen 
          der Zuggruppe A erstmals nur auf den sogenannten 37 Kilometer langen 
          „Vollring“. In der Nachkriegszeit wurde die Cheruskerkurve 
          nicht wieder aufgebaut, da sie schon vor ihrer Stilllegung nur noch 
          ein geringes Fahrgastaufkommen aufwies. Als der Bahnhof Schöneberg 
          eröffnet wurde, der ein bequemes Umsteigen zwischen Ring- und Wannseebahn 
          ermöglichte, hatte die Strecke schlagartig an Bedeutung verloren. 
          
        Die 
          brachliegende Trasse wurde in den 1960er Jahren zum Planungsraum für 
          die „autogerechte Stadt“. Die sog. „Westtangentenautobahn“ 
          sollte sich, von Steglitz kommend, auf der alten Bahntrasse neben der 
          Wannseebahn quer durch die ganze Stadt bis zum Wedding erstrecken. Pläne 
          aus den 1980er Jahren sahen sogar eine unterirdische S-Bahnlinie 1 vor, 
          deren Züge unter der „Schöneberger Insel“ hindurch 
          den Bahnhof Yorckstraße (S2) anfahren sollten. Widersinnigerweise 
          sollte dies geschehen, damit die lärmintensive Autobahn oberirdisch 
          auf der Trasse der S1 bis Tiergarten verlaufen konnte. Die Anwohner 
          der benachbarten Cheruskerstraße gründeten daraufhin die 
          bekannte „Bürgerinitiative Westtangente“, die sich 
          bis heute für Umweltbelange engagiert. Die Westtangente wurde dank 
          der wirkungsvollen Publicity der Bürgerinitiative von Steglitz 
          nur bis zum Sachsendamm gebaut und endet wenige Meter vor Beginn der 
          stillgelegten Cheruskerkurve. Aus ihr entstand eine zunehmend verwahrlosende 
          Grünfläche, die paradoxerweise als „Cheruskerpark“ 
          bezeichnet wird.
          Nach den Planfeststellungen zum Bau des neuen Eisenbahn¬knotenpunkts 
          am Lehrter Bahnhof wird die Cheruskerkurve seit den 1990er Jahren wieder 
          für die S-Bahn freigehalten. Erste Vorstellungen gingen von einer 
          Wiederinbetriebnahme auf der alten ebenerdigen Trasse aus, doch aus 
          ‚Furcht’ vor den protesterprobten Anwohnern des Cheruskerparks 
          wurde 2002 die Trassenführung im Tunnel als Änderung im Flächennutzungsplan 
          durchgesetzt. S-Bahn-Linie 21 heißt dieses Projekt. Die Strecke 
          soll vom neuen Südkreuz über die Cheruskerkurve, mit Halt an der Julius-Leber-Brücke, der neuzubauenden 
          Station Gleisdreieck, dem Hauptbahnhof, 
          den Nordring und die Siemensbahn bis zur Wasserstadt Spandau verlaufen.
          An der Cheruskerkurve könnte man vielleicht exemplarisch einen 
          erfreulichen Wandel in der Berliner Verkehrsplanung der letzten 40 Jahren 
          ablesen, der dahin geht, wieder mehr S-Bahn-Neubauten statt Stadtautobahnen 
          vorzusehen.
        Verwendete 
          Literatur
        Braun, 
          M. (2000): Was macht eigentlich die S 21 ? In: Berliner Verkehrsblätter, 
          8, 2000, S.145 – 150.
        Dittfurth, 
          U. et al. (1993): Strecke ohne Ende. Die Berliner Ringbahn. Berlin: 
          GVE Verlag.
        Meyer-Kronthaler, 
          J. & Kramer, W. (1999): Berlins S-Bahnhöfe. Ein dreiviertel 
          Jahrhundert. Berlin: be.bra Verlag. 
        Müller, 
          F. (2004): Berliner S-Bahn-Strecken außer Betrieb. Cheruskerkurve 
          (Südringkurve – Kolonnenstraße). http://www.stillgelegte-s-bahn.de/cherusker/cherusker.htm
        Senatsverwaltung 
          für Stadtentwicklung (2000): Teilbereich Cheruskerkurve, Lfd. Nr. 
          37/95, Änderung im Flächennutzungsplan.
        Strowitzki, 
          B. (2002): S-Bahn Berlin. Geschichte(n) für unterwegs. Berlin: 
          GVE Verlag.